Reiki – die japanische Praxis der Energiearbeit, bei der sanfte Berührung den Energiefluss im Körper harmonisieren soll – ist heute auf der ganzen Welt bekannt.
Viele Menschen - wie auch ich - nutzen Reiki, um Stress abzubauen, zur Ruhe zu kommen oder Heilungsprozesse zu unterstützen. Manche Kliniken und Pflegeeinrichtungen bieten es ergänzend zu
medizinischen Behandlungen an.
Doch immer wieder taucht dieselbe Frage auf:
Ist Reiki von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wissenschaftlich anerkannt - und sogar in den Leitlinien zur Schmerztherapie empfohlen?
Die kurze Antwort lautet: Nein.
Reiki ist von der Gesundheitsorganisation nicht als medizinisch-wissenschaftliche Behandlungsmethode anerkannt - und wird auch nicht in den WHO-Leitlinien zur Schmerztherapie als Verfahren empfohlen.
Allerdings:
Reiki taucht in mehreren WHO-Dokumenten auf – meist dort, wo es um traditionelle, komplementäre oder alternative Gesundheitspraktiken (TCAM – Traditional, Complementary and Alternative Medicine)
geht.
Dabei wird Reiki nicht als medizinische oder empfohlene Therapie beschrieben, sondern als Teil der kulturellen und gesundheitlichen Vielfalt, die
Menschen weltweit prägt.
Reiki gilt der WHO zufolge als Bestandteil globaler Traditionen und Praktiken im Bereich komplementärer Heilweisen.
Die Weltgesundheitsorganisation versteht Gesundheit nicht nur als das Fehlen von Krankheit, sondern als Zusammenspiel von Körper, Geist und sozialem Wohlbefinden.
Deshalb schaut sie auch auf das, was Menschen jenseits der Schulmedizin tun, um sich gesund zu halten, etwa Yoga, Akupunktur, Ayurveda, Meditation - oder eben Reiki.
Die WHO beschreibt diese Vielfalt, weil sie Teil des tatsächlichen Gesundheitsverhaltens vieler Menschen weltweit ist.
Während medizinische Verfahren auf ihre Wirksamkeit geprüft und teils empfohlen werden, beobachtet und dokumentiert die WHO traditionelle und komplementäre Praktiken (T&CM) vor allem als gelebte
Realität – ohne sie selbst zu bewerten oder zu empfehlen.
Zitat (WHO Traditional Medicine Strategy 2014–2023, S.16):
“T&CM is widely used around the world and valued for a number of reasons. At the International Conference on Traditional Medicine for South-East Asian Countries in February 2013, the WHO Director-General, Dr Margaret Chan, stated that ‘traditional medicines, of proven quality, safety, and efficacy, contribute to the goal of ensuring that all people have access to care. For many millions of people, herbal medicines, traditional treatments, and traditional practitioners are the main source of health care, and sometimes the only source of care.’”
Übersetzung:
„Traditionelle und komplementäre Medizin (T&CM) wird weltweit aus unterschiedlichen Gründen genutzt und geschätzt. Auf der Internationalen Konferenz über traditionelle Medizin für die Länder Südostasiens im Februar 2013 erklärte die WHO-Generaldirektorin Dr. Margaret Chan: ‚Traditionelle Heilmethoden, deren Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit nachgewiesen sind, tragen dazu bei, dass alle Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Für viele Millionen Menschen sind pflanzliche Arzneimittel, traditionelle Behandlungen und traditionelle Heilkundige die Hauptquelle der Gesundheitsversorgung – und manchmal die einzige.‘“
(Quelle: WHO Traditional Medicine Strategy 2014–2023)
Damit wird deutlich: Die WHO möchte komplementäre Verfahren weder bewerten noch fördern, sondern vor allem sicherstellen, dass sie – wo sie angewendet werden – sicher und verantwortungsvoll eingesetzt werden.
Oft wird im Internet ein bestimmter WHO-Bericht als Beleg dafür angeführt, dass Reiki offiziell anerkannt sei:
A System of Health Accounts 2011: Revised Edition (WHO / OECD / EU, 2017).
Dieser Bericht ist kein medizinischer Leitfaden, sondern ein Handbuch zur statistischen Erfassung von Gesundheitsleistungen. Reiki erscheint dort als existierender Teil der weltweiten Gesundheitslandschaft, gemeinsam mit anderen traditionellen, komplementären und alternativen Verfahren.
Original (WHO 2017, S. 119):
"Examples of TCAM are: Acupuncture, Ayurveda, Chiropractics, Herbal Medicines, Homeopathy, Naturopathy, Osteopathy, Traditional African medicines (Muti, Yoruba Ifa), Traditional Chinese medicine
(Tuina, Unani), Shiatsu, Mind-Body Intervention, Biologically-Based Therapy, Manipulative and body-based methods and Energy Therapy.
The various therapies also include Qi Gong, Tai ji, Thermal therapy, Yoga, Magnetic Therapy, Reiki, Therapeutic Touch, Aromatherapy, Art/Msic therapy, Biofeedback, Hypnosis, Meditation, Mental imagery, Prayer and Spiritual healing."
Übersetzung:
„Beispiele für TCAM sind: Akupunktur, Ayurveda, Chiropraktik, Kräutermedizin, Homöopathie, Naturheilkunde, Osteopathie, traditionelle afrikanische Medizin (Muti, Yoruba Ifa), traditionelle chinesische Medizin (Tuina, Unani), Shiatsu, Geist-Körper-Intervention, biologisch basierte Therapie, manipulative und körperbasierte Methoden und Energie-Therapie.
Die verschiedenen Therapien beinhalten außerdem Qi Gong, Tai Ji, Wärmetherapie, Yoga, Magnettherapie, Reiki, Therapeutic Touch, Aromatherapie, Kunst-/Musiktherapie, Biofeedback, Hypnose, Meditation, mentale Vorstellung, Gebet und spirituelles Heilen.“
(Quelle: WHO / OECD / EU – A System of Health Accounts 2011: Revised Edition, S. 119)
Reiki wird in dieser Aufzählung also nicht empfohlen oder bewertet, sondern schlicht als ein Verfahren genannt (in einem Atemzug mit Aromatherapie oder Gebeten), das in verschiedenen Ländern praktiziert wird und in globalen Gesundheitsstatistiken vorkommen kann.
Die Erwähnung ist beschreibend – sie zeigt, dass Reiki Teil einer gelebten Gesundheitskultur ist, nicht jedoch, dass es wissenschaftlich anerkannt oder
therapeutisch wirksam wäre.
Ein weiterer Bezug zu Reiki findet sich in einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2007. Es trägt den Titel:
“WHO Normative Guidelines on Pain Management – Report of a Delphi Study to determine the need for guidelines and to identify the number and topics of guidelines that should be developed by WHO” (Autorin: Dr. Neeta Kumar, WHO Department of Essential Medicines and Pharmaceutical Policies).
Übersetzung des Titels:
„WHO-Normative Leitlinien zum Schmerzmanagement – Bericht einer Delphi-Studie zur Ermittlung des Bedarfs an Leitlinien und zur Festlegung der Anzahl und Themen von Leitlinien, die von der WHO
entwickelt werden sollten“
Das Dokument fasst die Ergebnisse einer sogenannten Delphi-Studie zusammen – einer internationalen Befragung von Fachleuten aus Medizin, Pflege, Public Health und komplementären
Gesundheitsberufen.
Der Report sollte aufzeigen, welche Themenbereiche künftige WHO-Leitlinien zur Schmerzbehandlung nach Meinung der Befragten erfassen sollten:
Zitat (WHO, 2007, S. 25):
"The opinions expressed in this report are those of experts consulted during the study and from literature as cited ... These are not necessarily endorsed or recommended by WHO."
Übersetzung:
"Die in diesem Bericht geäußerten Meinungen stammen von den während der Studie konsultierten Expertinnen und Experten sowie aus der zitierten Literatur ... Diese werden nicht notwendigerweise von
der WHO befürwortet oder empfohlen."
Es handelt sich bei diesem Bericht also nicht um eine offizielle "WHO-Leitlinie zur Schmerztherapie", sondern um eine Sammlung von Meinungen.
Einige Seiten später im Bericht wird Reiki im Zusammenhang mit ergänzenden und nicht-medikamentösen Verfahren genannt.
Die genannten komplementären Verfahren wurden im Rahmen dieser Befragung von manchen Fachleuten als mögliche Ansätze zur Unterstützung von Schmerzpatienten vorgeschlagen:
Zitat (WHO, 2007, S. 32):
“We should recommend the non-drug modalities for example psychological and rehabilitation approaches (physiotherapy), holistic procedures like herbal therapy, acupuncture, faith-based treatment,
reiki and jugizu, music therapy, arts and dramatization in play-acting and other distraction techniques may be used in the treatment of all pain patients. -
The inclusion of learning of the other dimensions: biologic, psychological, social and spiritual in the curriculum. The experience shows that if we work in these dimensions with the patient,
we can see a big difference in the dosage of opioids. Reassurance by nurse and doctor is paramount."
Übersetzung:
„Wir sollten nicht-medikamentöse Ansätze empfehlen, zum Beispiel psychologische und rehabilitative Verfahren (Physiotherapie), ganzheitliche Methoden wie Kräutertherapie, Akupunktur, spirituell
basierte Behandlungen, Reiki und Jugizu, Musiktherapie, künstlerische Ausdrucksformen, Rollenspiel und andere Ablenkungstechniken, die bei allen Schmerzpatientinnen und -patienten eingesetzt werden
können. -
In die Behandlung sollte auch das Erlernen anderer Dimensionen einbezogen werden – der biologischen, psychologischen, sozialen und spirituellen. Die Erfahrung zeigt, dass sich, wenn wir mit Patientinnen und Patienten in diesen Dimensionen arbeiten, ein deutlicher Unterschied in der benötigten Opioid-Dosierung zeigt. Die beruhigende und bestärkende Zuwendung durch Pflegekräfte und Ärztinnen bzw. Ärzte ist dabei von zentraler Bedeutung.“
Da der Originalbericht als Quelle nicht leicht zu finden ist, gibt es ihn hier als Download.
(Hinweis: Bei manchen Smartphones wird das Dokument direkt als PDF im Datei-Ordner gespeichert, möglicherweise muss die Datei dort geöffnet werden.)
Diese Passagen zeigen, dass Reiki im Jahr 2007 in der internationalen Diskussion über Schmerzmanagement erwähnt und von einzelnen Fachleuten als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes verstanden wurde.
Eine Bewertung von Reiki oder gar eine Aufnahme in die Leitlinien zur Schmerzbehandlung durch die WHO erfolgte dabei jedoch nicht.
In einem Bericht der Pan American Health Organization (PAHO) – also der Regionalorganisation der WHO für Nord-, Mittel- und Südamerika – wird Reiki erwähnt, allerdings nicht als medizinische Behandlung, sondern als eine der Begleitmaßnahmen in der Palliativarbeit einer Stiftung in Costa Rica.
Die Organisation erhielt den Preis für ihr Engagement in der Betreuung schwerkranker Kinder und deren Familien. In der offiziellen Meldung heißt es:
"The Foundation trains health professionals from Costa Rica and elsewhere in Latin America. Since 2006, it has run a master's program in palliative care in conjunction with Santa Paula University. The Foundation operates two day centers, which are run by multidisciplinary volunteer teams who offer activities such as music therapy, art therapy, and dog therapy, as well as physiotherapy, occupational therapy, hypnosis, and reiki.
... In addition, the Foundation runs a mourning program, offering a one-year follow-up for parents, siblings, and caregivers of a deceased child, and provides funding support for the funeral."
Übersetzung:
"Die Stiftung bildet Gesundheitsfachkräfte aus Costa Rica und anderen Ländern Lateinamerikas aus. Seit 2006 betreibt sie in Zusammenarbeit mit der Santa Paula University ein Masterprogramm in Palliativpflege. Die Stiftung unterhält zwei Tageszentren, die von multidisziplinären Freiwilligenteams geleitet werden. Diese bieten Aktivitäten wie Musiktherapie, Kunsttherapie und Hundetherapie sowie Physiotherapie, Ergotherapie, Hypnose und Reiki an.
... Darüber hinaus betreibt die Stiftung ein Trauerprogramm, das eine einjährige Begleitung für Eltern, Geschwister und Betreuungspersonen eines verstorbenen Kindes anbietet und finanzielle Unterstützung für die Beerdigung gewährt."
(Quelle: PAHO News – Sasakawa Health Prize 2018)
Die PAHO würdigte hier das Engagement einer Stiftung, die im Rahmen einer ganzheitlich angelegten Palliativarbeit auch Reiki einsetzt, nicht die Methode Reiki selbst.
Reiki wird hier als Teil einer umfassenden psychosozialen Begleitung eingesetzt – nicht als medizinische Therapie.
Es ist aktuell keine Quelle in den Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation WHO auffindbar, in der sie Reiki als medizinische Therapie anerkannt.
Die WHO führt Reiki in mehreren ihrer Publikationen zwar auf, aber ausschließlich in beschreibender Form – als Teil der vielfältigen Gesundheitspraktiken, die Menschen weltweit nutzen. Eine
empirische Bewertung oder wissenschaftliche Empfehlung findet dabei nicht statt.
In verschiedenen WHO- und PAHO-Dokumenten wird Reiki gemeinsam mit anderen komplementären Verfahren wie Akupunktur, Shiatsu, Meditation oder Gebet erwähnt.
Diese Nennungen haben einen rein dokumentarischen Charakter: Sie zeigen, dass Reiki existiert und in bestimmten Ländern praktiziert wird – nicht, dass es eine nachweislich wirksame Behandlungsmethode wäre.
Die WHO sieht ihre Aufgabe nicht darin, einzelne alternative Methoden zu befürworten oder zu verwerfen, sondern darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Sicherheit, Qualität und Transparenz gewährleisten.
Ihr Ziel ist, dass traditionelle und komplementäre Heilverfahren – sofern sie angewendet werden – verantwortungsvoll, reguliert und im Einklang mit nationalen Gesundheitsrichtlinien stehen.
Die WHO erkennt an, dass Reiki und ähnliche Praktiken für viele Menschen Teil eines persönlichen oder kulturellen Gesundheitsverständnisses sind, nimmt jedoch keine medizinische Bewertung ihrer Wirksamkeit vor.
Für Anwenderinnen und Anwender bedeutet das:
Reiki darf als ergänzende, achtsamkeitsbasierte oder auch spirituelle Praxis verstanden werden – nicht jedoch als Ersatz für medizinische oder psychotherapeutische Behandlungen.
Gesundheit wird von der WHO als Zusammenspiel von Körper, Geist und sozialem Wohlbefinden gesehen – und in dieser Vielfalt beobachtet sie, was Menschen tatsächlich tun, ohne darüber zu urteilen.
Reiki bleibt somit ein Element der globalen Gesundheitskultur – anerkannt als traditionelle Praxis, nicht als Therapie.
Mein persönliches Fazit:
Ich stoße im Internet immer wieder auf Aussagen, nach denen Reiki als eine von der WHO "als Leitlinienverfahren anerkannte" oder als eine von ihr "wissenschaftlich bestätigte Methode" dargestellt wird.
Sicher sind die allermeisten dieser Aussagen aus einem guten Glauben entstanden. Und natürlich verstehe ich den Wunsch dahinter, Reiki auf diese Weise zu stärken.
Ich glaube aber nicht, dass es das braucht.
Reiki spricht für sich selbst – mit dem, was Menschen dabei erfahren und erleben. Was Reiki bewirken kann, zeigt sich für mich in meinem persönlichen Erleben, sowohl privat, als auch in meiner Praxis, und nicht in offiziellen Texten oder Empfehlungen.
Für mich ist Reiki etwas sehr Einfaches – und vielleicht liegt genau darin seine Kraft: Es verbindet Körper, Geist und etwas, das man vielleicht Spiritualität nennen kann – ohne große Worte, einfach still und selbstverständlich.
Es bringt mich zurück ins Hier und Jetzt, hilft mir, durchzuatmen und wieder ein bisschen mehr bei mir zu sein. Manchmal ist das schon genug.
Herzlich,
Niritya
Hinweis:
Die Informationen in diesem Artikel dienen ausschließlich der neutralen Information über die Einordnung von Reiki im Kontext der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie ersetzen keine ärztliche oder
psychotherapeutische Beratung oder Behandlung.
Die Autorin dieser Seite:
Niritya Speicher-Wilhelm, Heilpraktikerin für Psychotherapie in Saarbrücken. Sie ist Reiki-Meisterin und -Lehrerin im Usui-System und zertifizierte Meditationslehrerin.
Weitere Qualifikationen: Insgesamt vierjährige Ausbildung in Gesprächstherapie nach Rogers, Gestalttherapie nach Perls und Transpersonaler Gestalttherapie bei Dr.rer.soc. Rajan Roth und Dipl.Ing. Deva Prem Kreidler-Roth in Köln und Stuttgart.
Stand der Seite: 05.10.2025
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