Thomas Wilhelm, Heilpraktiker für Psychotherapie | ✆ 0177 - 3143183
Hypnos, der griechische Gott des Schlafes, diente als Namensgeber für die Hypnose. Tatsächlich aber beginnt die Geschichte der Hypnose noch vor der Epoche des griechischen Altertums, vor vielen tausend Jahren in der Frühgeschichte der Menschheit, allerdings nicht in der uns heute bekannten Form.
Von den alten Ägyptern bereits ist überliefert, dass sie schon vor etwa 4000 Jahren ein Verfahren einsetzten, bei dem Handbewegungen über dem Körper ausgeführt wurden. Ebenso nutzten die Sumerer eine Trance, die in gewisser Weise an heutige psychotherapeutische Verfahren erinnert: Bei ihnen wurde ein schlafähnlicher Zustand durch bestimmte sprachliche Instruktionen hervorgerufen. Weitere Hinweise auf den Einsatz hypnoseähnlicher Praktiken stammen aus dem Zweistromland Mesopotamien. Dort und bei vielen anderen Naturvölkern wurde schon früh die Hypnose oder ihr verwandte Verfahren eingesetzt.
Von der Antike bis zum Mittelalter war es in Mitteleuropa üblich, die nach damaligem Verständnis ungewöhnliche Wirkung der Hypnose einem mystischen Phänomen zuzuschreiben. Im 18. Jahrhundert dann allerdings betrachtete der Arzt Franz Anton Mesmer (1734 -1815) diese Phänomene aus einem etwas (für den damaligen Kenntnisstand) wissenschaftlerischen Blickwinkel: In einer seiner Arbeiten beschäftigte er sich mit dem „Einfluss der Gestirne auf den Körper“.
Er glaubte daran, dass es ein „universales Fluidum“ gebe; dieses sei bei Erkrankungen ungleichmäßig im Körper verteilt und erfahre durch magnetische Heilströme die passende Verteilung. Seine Methoden, dies zu erreichen, bestanden aus Handstreichungen über den Körper, Luftstrichen und anderen Anwendungen des „animalischen Magnetismus“.
Franz Anton Mesmers Methode wurde so bekannt, dass man das Hypnotisieren lange Zeit auch nach ihm als „Mesmerisieren“ benannte; im Englischen ist dieser Begiff auch heute noch zu finden: „to mesmerize“. Kritisch wurde Mesmers Methode zu der damaligen Zeit in England trotzdem gesehen.
Der britische Augenarzt James Braid (1795 – 1860) besuchte dennoch eine Vorführung des Hypnotiseurs La Fontaine. Dabei fiel ihm auf, dass das bei der Behandlung auftretende Augenflattern nicht vorgetäuscht werden konnte. Dies weckte seine Neugierde und er begann mit Hypnose zu experimentieren. Mesmers Hypothese eines „Animalischen Magnetismus“ verwarf er; vielmehr kam er zu dem Schluss, dass während einer Trance hirnphysiologische Veränderungen stattfänden.
Als Augenarzt führte er viele Operationen unter Anwendung der Hypnose durch – und stieß so eine Diskussion um weitere Anwendungsmöglichkeiten des Verfahrens an. Dass die Wirkung einer Behandlung unter Hypnose auf die eingesetzten Suggestionen zurückzuführen ist, war eine Idee des in Straßburg lehrenden Professors Hippolyte Bernheim (1840 – 1919).
Auch der Österreicher Sigmund Freud (1856 – 1939) arbeitete zu Beginn seiner psychotherapeutischen Tätigkeit mit Hypnose. Diese Methode hatte er während eines Studienaufenthalts in Paris kennengelernt, wo er einige Monate an der berühmten neurologischen Klinik der Salpêtrière verbrachte. Dort begegnete er dem französischen Neurologen Jean-Martin Charcot (1825–1893), der Hypnose und Suggestion zur Erforschung seelischer Störungen einsetzte.
Charcot ging davon aus, dass psychische Leiden – etwa die damals häufig diagnostizierte Hysterie – nicht auf körperliche Schäden, sondern auf seelische Ursachen zurückzuführen sind. Durch seine Experimente zeigte er, dass sich Symptome unter Hypnose zeitweise beeinflussen oder verändern lassen. Diese Beobachtungen beeindruckten Freud nachhaltig und prägten sein weiteres Denken.
Zurück in Wien begann Freud, selbst mit Hypnose zu arbeiten. Er untersuchte die seelischen Hintergründe hysterischer Beschwerden und nutzte die hypnotische Trance, um mit seinen Patientinnen über verdrängte Erinnerungen und Emotionen zu sprechen. Viele dieser Gespräche führten zu einer spürbaren seelischen Entlastung der Betroffenen.
Aus diesen Erfahrungen entwickelte Freud zunehmend das Interesse, die psychischen Ursachen menschlichen Erlebens genauer zu verstehen – eine Beschäftigung, die ihn schließlich zur Begründung der Psychoanalyse führte.
Nun ein kurzer Ausflug in den Bereich der Selbsthypnose: Der Neurologe und Psychiater J.H. Schultz (1884 -1970) entwickelte in den 1920er Jahren
das Autogene Training als eine Möglichkeit, der Vielzahl der aus dem I. Weltkrieg traumatisiert zurückgekehrten Soldaten etwas an Hand geben zu
können, das sie (nach erfolgtem Training) an sich selbst ohne weitere therapeutische Unterstützung anwenden konnten.
Während des Nationalsozialismus verlor die Hypnose im deutschsprachigen Raum stark an Bedeutung. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich zuvor mit Hypnose, Suggestion oder psychologischen Verfahren beschäftigt hatten, wurden verfolgt, aus ihren Positionen entlassen oder mussten emigrieren. Mit ihnen gingen wichtige Impulse und Forschungsergebnisse verloren.
Die nationalsozialistische Medizin lehnte Hypnose weitgehend ab. Sie passte nicht in das ideologisch geprägte Menschenbild jener Zeit, das den Einzelnen der „Volksgemeinschaft“ unterordnete und psychische Phänomene überwiegend biologisch oder erblich zu erklären suchte. Methoden, die das individuelle Erleben, das Unbewusste oder emotionale Prozesse in den Mittelpunkt stellten, wurden als unvereinbar mit der herrschenden Ideologie betrachtet.
Gleichzeitig bestand in der NS-Zeit im Führungskreis des Regimes durchaus ein Interesse an esoterischen, mystischen und okkulten Vorstellungen – etwa an Symbolik, Astrologie oder pseudowissenschaftlichen Ideen zur „germanischen Seele“. Diese Formen der Esoterik dienten jedoch nicht therapeutischen oder psychologischen Zwecken, sondern sollten die politische Selbstinszenierung des Regimes untermauern.
In der wissenschaftlichen und klinischen Praxis dagegen kam die Hypnoseforschung fast vollständig zum Erliegen. Psychologische Ansätze, die auf Vertrauen, Empathie und individuelle Reflexion setzten, hatten im autoritären System keinen Platz. Nur vereinzelt wurde Hypnose in militärischen Kontexten genutzt, beispielsweise zur Untersuchung oder kurzfristigen Behandlung sogenannter „Kriegsneurosen“. Diese Anwendungen waren jedoch rein funktional ausgerichtet und trugen nicht zur Weiterentwicklung der Hypnotherapie bei.
Auch in der Ausbildung von Ärzten und Psychologen spielte Hypnose während der NS-Zeit kaum noch eine Rolle. Frühere Lehrstühle und Arbeitsgruppen, die sich mit Hypnose oder Suggestion beschäftigt hatten, wurden aufgelöst oder in andere Forschungsbereiche überführt. Viele Veröffentlichungen zur Hypnose verschwanden aus den Fachzeitschriften, und psychologische Fakultäten richteten ihre Arbeit zunehmend an den Zielen der staatlichen Gesundheits- und Bevölkerungspolitik aus. Damit wurde ein Großteil der wissenschaftlichen Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichte, unterbrochen.
Erst im Ausland – insbesondere in den USA, Großbritannien und der Schweiz – wurde die Hypnoseforschung während dieser Zeit fortgesetzt. Emigrierte Wissenschaftler, darunter Schüler der europäischen Hypnoseschulen, trugen dort zur Entwicklung moderner psychotherapeutischer Verfahren bei. Diese internationale Weiterentwicklung bildete die Grundlage für die Wiederaufnahme der Hypnoseforschung nach 1945, als sich in Deutschland allmählich wieder ein offeneres Verständnis für psychologische und psychotherapeutische Themen etablierte.
Weiterführende Literatur und wissenschaftliche Quellen zur Hypnose im Nationalsozialismus
Die Geschichte der Hypnose im Dritten Reich wurde in den letzten Jahren zunehmend wissenschaftlich untersucht. Die folgenden Arbeiten geben einen fundierten Einblick in den damaligen Umgang mit Hypnose, Suggestion und Psychotherapie sowie in die ideologischen Spannungen zwischen Wissenschaft, Esoterik und Macht.
Diese wissenschaftlichen Arbeiten verdeutlichen, dass Hypnose im Nationalsozialismus nicht vollständig verboten, aber ideologisch verdrängt und wissenschaftlich marginalisiert war.
Milton H. Erickson (1901-1980) – der Wegbereiter der modernen Hypnotherapie
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann in den Vereinigten Staaten eine neue Ära der Hypnoseforschung. Eine zentrale Persönlichkeit dieser Entwicklung war der amerikanische Psychiater Milton H. Erickson (1901–1980). Er gilt heute als einer der einflussreichsten Vertreter der modernen Hypnotherapie und prägte das Verständnis von Hypnose als individuell ausgerichtetes, kreatives und respektvolles Verfahren entscheidend.
Erickson beschäftigte sich bereits während seines Medizinstudiums intensiv mit Hypnose und menschlicher Kommunikation. Eigenen biografischen Berichten zufolge hatte er in jungen Jahren eine schwere Kinderlähmung überstanden, die ihn zeitweise an den Rollstuhl fesselte. Während seiner Genesung begann er, seine Aufmerksamkeit auf innere Bilder, Gedanken und Empfindungen zu richten – Erfahrungen, die später seine therapeutische Arbeit nachhaltig beeinflussten.
Im Unterschied zu den klassischen Hypnosetheorien seiner Zeit betrachtete Erickson Hypnose nicht als einen Zustand der Fremdsteuerung oder der passiven Trance, sondern als eine natürliche Form der Aufmerksamkeit. Er war überzeugt, dass jeder Mensch in der Lage ist, durch gezielte innere Fokussierung Zugang zu unbewussten Ressourcen und persönlichen Lösungen zu finden. Diese Sichtweise stellte die damals vorherrschenden Vorstellungen von Autorität und Kontrolle in der Hypnose grundlegend in Frage.
In seiner therapeutischen Arbeit setzte Erickson auf eine Sprache, die sowohl präzise als auch flexibel war. Er nutzte Geschichten, Metaphern und indirekte Suggestionen, um Veränderungsprozesse auf einer unbewussten Ebene anzuregen. Diese Form der Kommunikation, die später als „Ericksonsche Hypnotherapie“ bekannt wurde, verband psychologische Erkenntnisse mit einem tiefen Respekt vor der Einzigartigkeit jedes Menschen.
Ericksons Ansatz fand bald internationale Beachtung. Seine Ideen beeinflussten nicht nur die moderne Hypnotherapie, sondern auch andere psychotherapeutische Richtungen wie die systemische Therapie, die lösungsorientierte Kurzzeittherapie und die neurolinguistische Programmierung (NLP). In den 1950er- und 1960er-Jahren begannen zahlreiche Ärztinnen, Psychologinnen und Therapeutinnen, seine Methoden zu studieren und weiterzuentwickeln.
Im Zentrum von Ericksons Wirken stand stets der Gedanke, dass Hypnose kein außergewöhnlicher Zustand ist, sondern ein alltägliches menschliches Erleben, das therapeutisch genutzt werden kann. Er verstand Hypnose als kooperative Beziehung, in der Therapeut und Klient gemeinsam Wege zu innerer Veränderung und Stabilisierung finden können. Diese Haltung prägte die Entwicklung der modernen Hypnotherapie entscheidend und machte sie zu einem wichtigen Bestandteil psychotherapeutischer Arbeit weltweit.
Durch die internationalen Veröffentlichungen seiner Schülerinnen und Schüler gelangten Ericksons Ideen schließlich auch nach Europa und beeinflussten die psychotherapeutische Landschaft nachhaltig.
Hypnose in der modernen Psychotherapie
Heute ist Hypnose ein anerkanntes psychotherapeutisches Verfahren, das in unterschiedlichen Kontexten Anwendung findet. Sie wird von Ärztinnen, Psychotherapeuten und Heilpraktikern für Psychotherapie genutzt, um Menschen dabei zu unterstützen, Zugang zu inneren Ressourcen und unbewussten Prozessen zu finden.
Auch in Deutschland wurde die Hypnotherapie in den folgenden Jahrzehnten zunehmend wissenschaftlich untersucht und methodisch weiterentwickelt. Im Jahr 2006 wurde die Hypnotherapie vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie als wissenschaftlich begründetes psychotherapeutisches Verfahren anerkannt. Damit gilt sie als fundierte Methode innerhalb der modernen Psychotherapie.
In der Praxis wird Hypnose heute nicht mehr als etwas Geheimnisvolles oder Magisches verstanden, sondern als eine bewusste Form innerer Konzentration und vertiefter Aufmerksamkeit, die den Zugang zu Gefühlen, Erinnerungen und körperlichen Empfindungen erleichtern kann.
Ziel einer hypnotherapeutischen Arbeit ist es nicht, Symptome zu „beseitigen“, sondern innere Prozesse zu verstehen, Selbstwahrnehmung zu fördern und Wege zur seelischen Balance zu eröffnen.
Damit hat sich die Hypnose von ihren mythischen Ursprüngen zu einer modernen, psychologisch fundierten Methode entwickelt – einer wertvollen Ergänzung innerhalb der psychotherapeutischen Arbeit.
Autor dieser Seite: Thomas Wilhelm, Heilpraktiker für Psychotherapie mit einem Schwerpunkt in humanistischer Hypnosetherapie und Mitglied im Verband freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und psychologischer Berater e.V.
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